Interview zum Thema Marketing und Kommunikation
Beiträge von Sarah Schocke und Michael Loitz von „ESSEN & ERNÄHREN” zum WissensSchnittchen am 01.10.2024
Portrait Sarah Schocke:
Sarah Schocke ist Expertin für klimagesunde Kinderernährung, gibt Einblicke in die besonderen Bedürfnisse von Kitas und Schulen und teilt ihre Erfahrungen als Bestseller-Autorin und Rezeptentwicklerin unter anderem über die Beratungsplattform „ESSEN & ERNÄHREN“.
Zwei Fragen an Sarah Schocke:
1. Welchen Herausforderungen sehen sich besonders Schulen und Kitas bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Küche ausgesetzt?
Nachhaltigkeit in Kitas und Schulen ist momentan vielerorts noch eine große Herausforderung. Besonders Eltern haben oft Schwierigkeiten nachzuvollziehen, warum es beispielsweise plötzlich weniger Fleisch geben soll. Sie müssen mit ins Boot geholt, Ängste abgebaut und Lust gemacht werden, auf ein leckeres, buntes, vielfältiges Angebot.
Selbstkochende Kitas und Schulen mit Frischküchen, können schneller Angestrebtes umsetzen, weil die Entscheidungswege kürzer, der Kontakt zu Kindern und Eltern enger ist. Eine kleine Kita mit 30 Kindern und eigener Köchin/eigenem Koch kann einfacher regionale, saisonale Lebensmittel beziehen oder mal eine Probierportion für Eltern beim Abholen oder beim Elternabend ausgeben, als größere Institutionen, die von Caterern Cook & Hold-Gerichte beziehen.
Auch wichtig: Alle Mitarbeitenden, pädagogische und hauswirtschaftliche Fachkräfte, müssen an einem Strang ziehen und dahinterstehen, um mehr Nachhaltigkeit, mehr pflanzliche Lebensmittel, mehr Hülsenfrüchte und Vollkorn auf dem Speiseplan umzusetzen.
Wichtig ist zu verstehen: Diese Maßnahmen machen Kindern ein lebenslanges Gesundheitsgeschenk. Weil die Ernährung gerade in den ersten Lebensjahren prägend für das ganze weitere Leben ist. Wer das verstanden hat, und es nicht mehr um „Wegnehmen” geht, sondern um „Gesundheit geben”, hat schon einen guten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit geschafft. Teamschulungen sind dafür hilfreich und erfolgreich.
2. Haben Sie Beispiele, die besonders verdeutlichen, wie die Umsetzung gelingen kann und von denen sowohl Gäste als auch die Küchen profitieren.
Ein guter Weg, um neue Lebensmittel auf den Speiseplan zu bringen wie Vollkorn, Hülsenfrüchte oder saisonale Gemüse, ist es Lieblingsgerichte dafür als Brücke zu benutzen. So kann etwa Hackbällchen in Tomatensauce, die zu Nudeln, Reis, Kartoffelbrei angeboten wird, durch Linsenbällchen oder einer Variante aus Hackfleisch und Linsen zu gleichen Anteilen.
Außerdem mögen Kinder gerne Selbstbestimmung. Wo immer logistisch möglich, lohnt es sich, Gerichte in Komponenten zum Selbst-Zusammenstellen anzubieten. So wird die Sauce mit Erbsen nicht in Gänze abgelehnt, weil das Kind keine Erbsen mag und es besteht die Chance, dass es sogar ein paar Erbsen mal probiert. Bunte Schüsseln „Verschiedenes“ auf dem Tisch, machen außerdem Lust zuzugreifen und sich seinen eigenen Teller zu kreieren. Dafür bieten sich auch einfach lose Zutaten an, die man in einer Salatbar findet.
Stichwort Salatbar: Wenn das möglich ist, auch ein guter Schritt um regionale, saisonale Lebensmittel einzuführen und Begeisterung dafür zu wecken.
Runde Tische, an denen Vertreter*innen aller Akteure zusammenkommen und sich austauschen, fördern das gegenseitige Verständnis und das Miteinander, um Veränderungen gemeinsam zu tragen und voranzubringen. Die Kinder sollten hierbei unbedingt miteinbezogen werden.
Das Augenmerk auf Foodwaste zu richten, lohnt sich ebenfalls. Kinder können sensibilisiert werden, indem Lebensmittelabfälle einer Mahlzeit in einer Glasschüssel gesammelt werden. So werden Mengen sichtbar. Oder die Kinder helfen beim Wiegen, bevor Essensreste weggeworfen werden. Anhand der Wiegeprotokolle können Erfolge sichtbar gemacht werden.
Durch Anpassung der Portionsgrößen oder auch Umschichtung auf dem Teller – mehr Pflanzliches, weniger Tierisches – kann Budget frei werden, das nun zum Kauf von Biolebensmitteln zur Verfügung steht.
Portrait Michael Loitz
Michael Loitz ist erfahrener Küchenleiter und DGE-qualifizierter Verpflegungsmanager. Er ist in der Bio-Beratung tätig verfügt über zahlreiche Erkenntnisse zu modernen und zukunftsfähigen Speisenkonzepten, die er auch über die Beratungsplattform „ESSEN & ERNÄHREN“ zur Verfügung stellt.
Zwei Fragen an Michael Loitz:
1. Welche Tipps haben Sie für die Kommunikation mit den Gästen im Kontext des Themas „Nachhaltigkeit“
Nachhaltigkeit ist ein Thema, das in jedem Betrieb besprochen werden sollte. Es ist wichtig, diesen Begriff kritisch zu betrachten und zu diskutieren: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Küchen und Kantinen? Welche Verantwortung tragen wir dabei? Gibt es externen Druck oder ist es die eigene Vision, etwas zu verändern?
Die Kommunikation mit den Gästen sollte auf die spezifischen Bedürfnisse des Betriebes und seiner Zielgruppe abgestimmt sein. Bio-Speisen und die DGE-Qualitätsstandards sind gute Ansätze, um das Angebot nachhaltiger zu gestalten und sichtbar zu machen. Es ist jedoch nicht immer notwendig, eine Zertifizierung anzustreben, um Vertrauen für z.B. das Thema Nachhaltigkeit zu schaffen. Auch muss nicht alles sofort „vegan“ sein, um nachhaltig zu wirken.
Slogans wie „Von nebenan auf den Teller“, „Zurück zu den Wurzeln“ oder „Die Magie der Einfachheit“ drücken die Philosophie einer regionalen und ehrlichen Küche aus. Solche Botschaften kommen bei den Gästen an und vermitteln ein nachhaltiges Image. Ein wirkungsvolles Storytelling über die verwendeten Zutaten und Partnerbetriebe kann die Glaubwürdigkeit erhöhen. Ein wichtiger Aspekt ist, das Küchenteam in die Kommunikation einzubeziehen. Sie sind die Botschafter der Botschaften, die an der Ausgabe, in Gesprächen oder auf den Speiseplänen vermittelt werden. Man sollte nicht versuchen, Konzepte von anderen Betrieben zu kopieren oder sich Siegel als Lösung zu erkaufen. Authentizität ist entscheidend, und die Umsetzung nachhaltiger Konzepte muss im gesamten Küchenteam gelebt werden.
Letztendlich kann jeder Betrieb – und jeder Einzelne – etwas beitragen. Es liegt an uns, mit den vorhandenen Ressourcen Veränderungen herbeizuführen und stets die Zukunft im Blick zu behalten. Gemeinsam können wir die Gemeinschaftsverpflegung nachhaltiger gestalten!
2. Welche Gäste stellen Sie in der Beratungspraxis vor besondere Herausforderungen?
In der Gemeinschaftsverpflegung stehen alle Küchen und Kantinen vor herausfordernden Tischgästen, insbesondere wenn es um nachhaltige Speisenangebote geht. In der Betriebsverpflegung sind die Auflagen und Regularien weniger problematisch, was kreative kulinarische Angebote im Gastronomiestil ermöglicht. Hier kann der Preis oft an die Qualität angepasst werden. Dennoch muss in Zeiten von Homeoffice auch hier um die Gäste gekämpft werden. Anders sieht es in der Schulverpflegung und in der Verpflegung in Kliniken aus, wo jeweils ganz andere und größere Herausforderungen bestehen. Hierbei spielen nicht nur Regularien und Budgetvorgaben eine Rolle, sondern auch die Tischgäste selbst, einschließlich der Eltern in Schulen und der Tischgäste als Patient*innen in Kliniken.
Es gibt zahlreiche Initiativen und Projekte, sei es durch externe Beratungsfirmen wie unsere oder durch die Küchen- und Ernährungsfachkräfte vor Ort, die Veränderungen bewirken möchten. Doch täglich müssen sie sich mit den Wünschen der Kunden auseinandersetzen. Wie „verkauft" man ein gesundes und nachhaltiges Angebot, das Bio-Lebensmittel enthält und auf Basis der DGE-Qualitätsstandards hergestellt wird, wenn die Gäste täglich Fleisch oder übersüßte Speisen verlangen und gesunde Alternativen wie Hülsenfrüchte oder vegetarische Angebote oft abgelehnt werden?
Es ist ein langer Weg, und ich appelliere an alle Fachkräfte in Küchen und Kantinen, nicht aufzugeben. Verbreitet eure Botschaft und bezieht euer Küchenteam ein. Schulungen und Sensibilisierungen sind entscheidend, damit sie als Multiplikatoren auf die Gäste zugehen können.
Es kann auch sehr hilfreich sein, externe Unterstützung hinzuzuziehen. Wir haben ein Programm entwickelt: „Ein Tag, der den Unterschied macht." Dabei kommt eine Beratungskraft für einen Tag in den Betrieb. Ob durch eine Potenzialanalyse mit dem Küchenchef, einen Workshop mit dem Küchenteam oder eine Schulung zu schwierigen Rückmeldungen – dieses Angebot ist für jedes Haus erschwinglich und kann sogar förderfähig sein.
Für mehr Informationen besuchen Sie bitte https://essenundernaehren.de/ oder nutzen unser Kontaktformular.